In manchen Branchen hat die Künstliche Intelligenz bereits enorme Effizienzen geschaffen, bloss in der Finanzwelt noch nicht. Dabei sind die Möglichkeiten der KI-gesteuerten Vermögensverwaltung so gross, dass in Zukunft kein Weg an ihr vorbeiführen wird, ist Martin Velten in seinem Beitrag für finews.first überzeugt.
Bisher haben sich vermögende Bankkundinnen und -kunden auf Beraterinnen und Berater verlassen. Doch mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet sich auch in der Vermögensverwaltung eine neue Welt, die sich vollständig auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden zuschneiden lässt. In anderen Wirtschaftszweigen hat KI bereits unglaubliche Effizienzen geschaffen, was in der Finanzbranche bislang kaum der Fall war. Da die KI-gesteuerte Vermögensverwaltung ein derart neues Gebiet ist, entwickelt sie sich auch laufend weiter. Grundsätzlich lässt sich KI in der Vermögensverwaltung auf zwei Arten nutzen: erstens, um Anlageempfehlungen zu geben und zweitens, um Anlageaufgaben zu automatisieren. Wenn es um Anlageempfehlungen geht, lässt sich KI nutzen, um Finanzdaten zu sammeln und zu analysieren, oder um Vorhersagen über Markttrends zu treffen. Mit diesen Informationen lassen sich dann Anlageempfehlungen erstellen, die auf den einzelnen Kunden abgestimmt sind. So kann zum Beispiel ein KI-System empfehlen, in bestimmte Anlageklassen oder Branchen zu investieren, wenn es voraussagt, dass sich diese in naher Zukunft überdurchschnittlich entwickeln werden.
«Diese Fähigkeit bietet KI-basierten Systemen einen Wettbewerbsvorsprung»
KI lässt sich auch nutzen, um Anlageverwaltungs-Aufgaben im Portfolio-Management zu automatisieren. Dazu gehören das Portfolio-Rebalancing, die Handelsausführungen oder das Risikomanagement. Bei diesen Aufgaben kann KI dazu beitragen, menschliche Berater zu entlasten, damit sich diese vermehrt auf die Betreuung ihrer Kundinnen und Kunden konzentrieren können und sich so die Geschäftsprozesse verbessern lassen. In manchen Fällen lassen sich auf diese Weise auch neue Produkte schneller entwickeln und Geschäftsmodelle veränderten Ansprüchen anpassen. Zwischen KI-gesteuerter Vermögensverwaltung und traditioneller Vermögensverwaltung gibt es noch einige weitere Unterschiede: Erstens ist die KI-gesteuerte Vermögensverwaltung viel stärker durch Daten getrieben als die traditionelle Vermögensverwaltung: letztere verwendet herkömmliche Methoden, was wiederum menschliche Arbeitskraft erfordert. Im Gegensatz dazu können KI-Systeme mit ihren Algorithmen grosse Datenmengen schneller und effektiver sammeln und verarbeiten. Diese Fähigkeit bietet KI-basierten Systemen einen Wettbewerbsvorsprung – aufgrund der höheren Genauigkeit bei der Erstellung von Marktprognosen. Das führt zu einem besseren Risikomanagement und somit zu einer höheren Rendite bei einem langfristigen Anlagezeitraum.
«KI-basierte Vermögensverwalter sind in der Regel kosteneffizienter als ihre traditionellen Pendants»
Ein weiterer Unterschied der KI-gesteuerten Vermögensverwaltung besteht darin, dass sie stark personalisiert ist. Die Machine-Learning- und KI-Systeme analysieren die Daten einzelner Kunden und erstellen eine passende Anlagestrategie, die speziell auf die Bedürfnisse dieser jeweiligen Person zugeschnitten ist. Im Gegensatz dazu sind traditionelle Portfolio-Management-Ansätze mit ihren fundamentalen Analysen, Handelsstrategien und Anlagestrategien tendenziell viel allgemeiner gehalten. Zudem sind KI-basierte Vermögensverwalter in der Regel kosteneffizienter als ihre traditionellen Pendants. Denn die niedrigeren Gebühren sind letztlich das Ergebnis der Fähigkeit, grosse Datenmengen effizienter zu verarbeiten und sich auf Maschine-Learning-Algorithmen zu verlassen, anstatt auf menschliche Forschung und Leistungsüberwachung zu setzen, was die Kosten für Anlageberatung bei traditionellen Firmen erhöht.
«Allerdings bestehen auch noch einige Herausforderungen»
Schliesslich ermöglicht der Einsatz von KI eine systematischere und konsistentere Herangehensweise an Anlageentscheidungen. Dies hilft, höhere Renditen zu erzielen und Anlageportfolios effizienter ausbauen. Mit KI-basierter Vermögensverwaltung kann man sich auf anspruchsvolle Algorithmen verlassen, die fundierte Anlageentscheidungen auf der Grundlage von Markttrends und Datenanalysen treffen. Allerdings bestehen auch noch einige Herausforderungen, damit KI-Technologie-gesteuerte Plattformen wirklich erfolgreich sind. Erstens müssen diese Systeme in der Lage sein, grosse Datenmengen zu speichern, Fehler zu bereinigen und die Daten zu verarbeiten. Dies ist nicht immer einfach, da die Daten für die Anlageentscheidungen in unterschiedlichsten Quellen wie Nachrichtenartikeln, Finanzberichten und Unternehmensdokumenten verstreut sind.
«KI-Systeme können nur so genau sein wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden»
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass KI-Systeme genaue Vorhersagen über Marktentwicklungen generieren sollen. Das ist eine schwierige Aufgabe, da die Zukunft von Natur aus unvorhersehbar ist. KI-Systeme können also nur so genau sein wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden; selbst kleine Fehler in den Daten können zu ungenauen Vorhersagen führen. Sehr wichtig ist schliesslich, dass KI-gesteuerte Vermögensverwalter ihre Vorhersagen den Kundinnen und Kunden erklären und ihnen den Nutzen der Technologie vollständig vermitteln. Dies ist insofern wichtig, da die Investorinnen und Investoren verstehen sollten, warum der KI-basierte Vermögensverwalter beispielsweise empfiehlt, Aktien zu veräussern oder Wertpapiere eines Unternehmens oder einer Branche zu kaufen, um eine bestimmte Handlungsoption zu generieren. Last but not least müssen KI-Unternehmen in der Lage sein, Anlageempfehlungen zu generieren, die speziell auf den einzelnen Kunden zugeschnitten sind. Dies ist eine enorme Herausforderung, da die finanzielle Situation jedes Menschen einzigartig ist – was für eine Person funktioniert, kann für eine andere möglicherweise einfach aus regulatorischen Gründen nicht funktionieren.
Martin Velten ist seit Anfang 2021 Partner des in Zürich ansässigen, digitalen Vermögensverwalters Smart Wealth. Als Chief Operating Officer (COO) verantwortet er den Vertrieb und die Betreuung von Fondsmanagern, Banken, Family-Offices, Beratungsplattformen und anderen professionellen Investoren. Drei Jahrzehnte lang war er bei Grossbanken im Kapitalmarktgeschäft tätig, darunter bei der Commerzbank, der Unicredit und der Deka Bank. Er hat zahlreiche Produktinnovationen und Handelsbereiche entwickelt, darunter die ersten Zertifikate und Garantie-Produkte. Zudem gilt er als Pionier der europäischen ETF-Branche.